«Unser Hobby hat jetzt keine Priorität»

Handball, 1. Liga.
Rang zwei nach sechs von zehn Spielen in der Abstiegsrunde. Der TVD war auf besten Weg das primäre Saisonzielen, den Ligaerhalt, zu erreichen. Doch dann wurde die Saison abrupt abgebrochen. Die Gründe sind bekannt. Peter Staub, Präsident der TVD-Handballer, im WB-Gespräch.

von Renato Cavoli

Peter Staub, waren Sie überrascht vom Entscheid, die Saison endgültig abzubrechen, oder haben Sie aufgrund der sich auch in der Schweiz immer stärker bemerkbar machenden Corona-Krise sogar damit gerechnet?
Nein, nicht wirklich überrascht. Die Anzahl Zuschauer wurden begrenzt und es gab auch im Handball schon Geisterspiele. Und man wusste, dass die Lage noch kritischer wird. Es war also nur eine Frage der Zeit.

Wie hat man im Verein reagiert?
Viele waren sicher enttäuscht. Ich denke aber alle haben schnell begriffen, dass dies der einzige richtige Entscheid war. Durch die Schliessung aller Sportanlagen hat sich auch die Frage nach Trainings schnell erübrigt. Für uns ist Handball ein Hobby und das hat im Moment alles andere als Priorität. Die Gesundheit geht vor.

Konnten Sie beim TV Dagmersellen der aufgezwungenen Pause überhaupt auch etwas Positives abgewinnen?
Man kann jeder Situation etwas Positives abgewinnen und daraus lernen. Das Tempo rausnehmen zu müssen und hautnah zu realisieren, dass nicht alles selbstverständlich ist, scheint mir für Alt und Jung sehr wichtig und positiv. Dies trotz der schwierigen und ungewissen Situation. Völlig neue Erfahrungen also, die hoffentlich nachhaltig sind.

Es ist anzunehmen, dass man beim TVD die Saison lieber schon eine Woche zuvor, nach dem tollen Sieg beim NLB-Absteiger Altdorf abgebrochen hätte. Nun steht die Niederlage gegen West als letzter Akzent dieser Saison…
Das kann man so sagen. Aber auch das letzte Spiel zu Hause in der Chrüzmatt gegen West war nicht schlecht. Es war eine attraktive Partie gegen einen wirklich guten Gegner. Leider hat es mit der Chancenauswertung nicht geklappt. Aber einmal mehr hat die Mannschaft bis zum Schluss alles gegeben und fast hätte man auch dieses Spiel noch gedreht. Auf jeden Fall war es wieder Nervenkitzel pur für unsere treuen Fans.

Die kommende Saison wird, so hat die Verbandshomepage Handball.ch berichtet, mit der gleichen Ausgangslage gestartet wie die vor kurzem abgebrochene Meisterschaft. Es gibt also keine Meister, keine Auf- und Absteiger. Die richtige Massnahme?
Aus meiner Sicht ist es sicher die vernünftigste Lösung. Für uns als TVD spielt es nicht so eine Rolle. Mir tun aber Mannschaften wie Olten oder Emmen leid, die eine tolle Saison gespielt haben und sehr gerne aufgestiegen wären. Nun müssen sie wieder mit uns vorliebnehmen. Aber eben, es gibt Wichtigeres als den Sport.

Wie lautet das sportliche Fazit zur Saison 2019/2020 aus Sicht des TV Dagmersellen?
Wir hätten unser primäres Saisonziel, den Ligaerhalt, mit Sicherheit geschafft. Davon bin ich zu hundert Prozent überzeugt. Sowohl was die Ergebnisse betrifft, als auch wie sich das Team weiterentwickelt hat, sind wir vom Vorstand her sehr zufrieden. Gegen alle Gegner konnten wir gut mithalten und spielten einen sehr attraktiven Handball. Vergessen wir nicht, dass wir als Aufsteiger in die Saison gestartet sind.

Im Fussball und im Eishockey drohen den Vereinen der obersten Spielklassen finanzielle Verluste. Befürchten Sie ähnliches im Schweizer Spitzenhandball? Beim TV Dagmersellen dürfte sich das in überschaubarem Rahmen halten…?
Da die Summen nicht so gross wie im Fussball oder Eishockey sind, werden die finanziellen Verluste im Schweizer Spitzenhandball nicht ganz so krass sein. Aber zu beissen werden sicher alle haben. Für uns hält es sich einigermassen im Rahmen. Leider mussten wir aber den am Samstag, 6. Juni, geplanten Sponsorenlauf, an dem der ganze Verein mitgemacht hätte, absagen. Hier hatten wir uns schon einen grösseren finanziellen Zustupf erhofft.

Hat die Planung für die kommende Saison schon begonnen? Wie sieht es an der Trainerfront aus? Arbeitet der TVD weiter mit dem erfolgreichen Duo Martin Prachar/Silvan Graf zusammen?
Ja, die Planung läuft. Wie schon gesagt, wir sind mit der abgelaufenen Saison sehr zufrieden und dies ist mitunter ein grosses Verdienst des Trainerduos. Wir werden mit Martin und Silvan weitermachen. Wann wir mit dem Trainingsbetrieb wieder loslegen können, ist wie vieles im Moment völlig ungewiss. Martin Prachar weilt zurzeit mit seiner Familie in Tschechien.

Der TVD versuchte sich vor der abgelaufenen Saison vor allem im Rückraum und hier speziell mit einem schussstarken Linkshänder zu verstärken. Sucht man erneut?
Wir halten die Augen immer offen. Aber es ist sehr schwierig, oder fast unmöglich fündig zu werden. Positiv ist aber, dass die Mannschaft zusammenbleibt und wir den einen oder anderen jungen Spieler noch dazubekommen. Ich bin überzeugt, so wieder eine schlagkräftige Truppe zu haben.

…und hängen Sie als aktueller Präsident des TV Dagmersellen eine weitere Saison an?
Mangels Alternativen werde ich wohl wiedergewählt. Die Idee ist aber schon, nächstens einen Nachfolger zu finden. Man wird nicht jünger, wenn auch die Zeit in diesen Tagen merklich langsamer geht.

 

«Wir sind auf dem richtigen Weg»

TV Dagmersellen. Auch für den im kommenden Juni 29 Jahre alt werdenden TVD-Captain Pascal Tschupp zeichnete sich der frühzeitige Saisonabbruch schon bald einmal ab. «Überrascht wurde ich nicht, als wenige Tage nach der 22:24-Heimniederlage vom 7. März gegen West HBC der Verband den Spielbetrieb in sämtlichen Ligen einstellte. Als kurz zuvor die Unihockeyaner und Basketballer ihren «Laden» ebenfalls dicht machen mussten, stand für mich fest: Jetzt ist die Saison auch für uns zu Ende. Und so kam es dann auch.»

Pascal Tschupp und seine Teamkollegen sowie der Trainerstaff mit Martin Prachar und Silvan Graf, stehen voll und ganz hinter diesem Entscheid. Die Gesundheit der Menschen gehe in jedem Fall vor. «In so einer Situation spielt der Sport schlicht und einfach keine Rolle mehr. Siege oder Niederlagen werden nebensächlich», sagt der TVD-Captain.

Beim TVD ruht, wie bei allen anderen Vereinen, natürlich auch der Trainingsbetrieb. Spieler und Trainer hoffen, dass sich man spätestens mit der Vorbereitung auf die neue Saison wieder in den normalen Trainingsbetrieb einsteigen kann. Der erfahrene Kreisläufer Pascal Tschupp hat entschieden, eine weitere Saison als Spieler des Fanionteams anzuhängen. Und er freut sich darauf. «Wir haben unser Saisonziel, den Ligaerhalt, erreicht. Jetzt geht es darum, dass wir noch konstanter werden. Dass wir zum Beispiel auch mit der Favoritenrolle besser umgehen können. Das ist vor allem ein mentales Problem. In diesem Bereich können und wollen wir uns weiter verbessern. Spielerisch und taktisch hingegen sind wir auch dank unseren Trainern mit Sicherheit auf dem richtigen Weg.» rec.